Fachtagung des
Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg am 10.12.2015 mit Expertenanhörung und Podiumsdiskussion
zum Thema
Hygienemaßnahmen bei der Betreuung schwerbehinderter Kinder in
Gemeinschaftseinrichtungen. Besiedlung mit multiresistenten Erregern.
Fachvortag RA Thomas Eschle, Stuttgart
Rechtliche Fragen bei der Betreuung
schwerbehindeter Kinder mit MRE-
Keimträgerschaft in Gemeinschaftseinrichtungen.
Vorbemerkung:
Multiresistente bzw. mehrfach resistente Erreger (MRE) bezeichnet man bestimmte
Bakterien, die unempfindlicher gegenüber einer Behandlung mit Antibiotika sind, als dies für Stämme der gleichen Art üblich ist.
Multiresistente Erreger sind dann eine Gesundheitsgefahr, wenn sie
in den Körper einge-drungen sind und eine Infektion ausgelöst haben.
Daher müssen gesunde Menschen mit intaktem Immunsystem den Kontakt mit
multiresistenten Erregern normalerweise nicht fürchten. Sie können
allerdings, ohne selbst zu erkranken, Überträger der Keime sein.
Gefährdet sind insbesondere abwehrgeschwächte Menschen, auch schwerbehinderte Kinder in Gemeinschaftseinrichtungen. Bei ihnen kann eine
Infektionskrankheit einen kritischen Verlauf nehmen, insbesondere wenn
die meisten der zur Verfügung stehenden Antibiotika keine Wirkung
zeigen.
Multiresistente Erreger treten in
Krankenhäusern, Pflege- und Altenheimen, aber auch in Gemeinschaftseinrichtungen für behinderte junge Menschen auf. Denn in diesen
Ein- richtungen werden viele Menschen versorgt und betreut, die durch
Erkrankungen und therapeutische Eingriffe geschwächt sind und oft einen
schlechten Immunstatus aufweisen.
Der Vortrag beschäftigt sich mit den rechtlichen Problemen, welche sich bei der Betreuung von schwerbehinderten jungen Menschen in Gemeinschaftseinrichtungen ergeben. Insbesondere wird auch auf die Sicht der betroffenen Eltern eingegangen.
Die Problematik ist neu. Es mangelt bisher an höchstrichterlicher Rechtsprechung. Die MRE- Problematik ist darüber hinaus kaum spezialgesetzlich geregelt, so dass teilweise auf allgemeine gesetzliche Normen zurückgegriffen werden muss.
Aus hygienerechtlicher Sicht kann man feststellen, dass je besser die Grundhygienevorschriften in Gemeinschaftseinrichtungen angewendet werden, desto geringer ist das Risiko, daß MRE-Keime weiter verbreitet werden.
Inhaltsübersicht:
1. Rechte von schwer-
und mehrfach schwerbehinderten Kindern auf Teilhabe, Inklusion und Förderung
2. Rechte der Eltern auf Unterstützung bei der Versorgung betroffener
Kinder
3. Erörterung von Einschränkungen bei Keimträgerschaft und Risiko der Infektions-verbreitung, Verfügung von
Barriere-Maßnahmen incl. Aussetzen der Schulpflicht, Rechtsmittel
4. Rechte von mutmaßlich gefährdeten Kontaktpersonen in Gemeinschaftseinrich-tungen
(andere Kinder, betreuendes Personal)
5. Inwieweit können eingebundene
Dienstleister zur Kooperation (z. B. beim Behindertentransport) verpflichtet
werden
6. Probleme von Eltern
behinderter Kinder bei der Kostenübernahme bei einzelnen Maßnahmen
1. Rechte von schwer-
und mehrfach schwerbehinderten Kindern auf Teilhabe, Inklusion und Förderung
Die Rechtsnorm im SGB IX (Behindertenrecht):
§ 1 Selbstbestimmung und Teilhabe am
Leben in der Gesellschaft
Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen erhalten Leistungen nach
diesem Buch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen,
um ihre Selbst-bestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der
Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen
entgegenzuwirken. Dabei wird den besonderen Bedürfnissen behinderter und
von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder Rechnung getragen.
Die Rechtsnorm im SGB VIII (Jugendhilferecht):
§ 1 Recht auf Erziehung, Elternverantwortung, Jugendhilfe
(1) Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf
Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen
Persönlichkeit.
(2) Pflege
und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die
zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche
Gemeinschaft.
(3) Jugendhilfe soll zur
Verwirklichung des Rechts nach Absatz 1 insbesondere
1. junge
Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und dazu
beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen,
2. Eltern
und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten und unterstützen,
Die Rechtsnorm für Schulpflicht (Schulrecht, Baden-Württemberg)
§ 72 Schulgesetz Baden-Württemberg, Schulpflicht, Pflichten der Schüler
(Auszug)
(1) Schulpflicht besteht für alle Kinder
und Jugendlichen, die im Land Baden-Württemberg ihren Wohnsitz oder
gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Ausbildungs- oder Arbeitsstätte haben... Die Schulpflicht wird auch durch den Besuch eines
sonderpädago-gischen Bildungs- und Beratungszentrums erfüllt.
....
(3) Die Schulpflicht erstreckt sich auf
den regelmäßigen Besuch des Unterrichts und der übrigen verbindlichen
Veranstaltungen der Schule sowie auf die Einhaltung der Schulordnung….
(4) Die Schulpflicht ist durch den Besuch
einer deutschen Schule zu erfüllen. Über Ausnahmen entscheidet die
Schulaufsichtsbehörde.
Die wichtigste
Rechtsnorm für Schüler mit Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot ist die Rechtsnorm
für Eingliederungshilfe,
§ 35a Abs.1 SGB VIII:
Auf eine Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche nach §
35a Abs.1 SGB VIII besteht ein Anspruch, wenn ihre seelische Gesundheit mit
hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter
typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft
beeinträch- tigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Von einer seelischen Behinderung bedroht, im Sinne dieses Gesetzes sind
Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am
Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher
Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.
Leistungsberechtigt im Sinne der Eingliederungshilfe für behinderte
Menschen nach § 53 SGB XII sind Personen, die durch eine Behinderung im Sinne
von § 2 Abs.1 Satz 1 des Neunten Buches wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der
Gesellschaft teilzuhaben,
eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind,
wenn und so lange nach der Besonderheit des Einzel-falles, insbesondere nach Art
und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der
Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.
Leistungsberechtigt nach SGB XII sind Kinder und Jugendliche mit einer
geistigen und/ oder körperlichen Behinderung.
Der Antrag wird
von den erziehungsberechtigten Eltern bei der Schule und/oder
beim Jugendamt bzw. der Grundsicherungsbehörde
gestellt.
§ 82 Schulgesetz Baden-Württemberg, Feststellung
des Anspruchs auf ein
Sonderpädagogisches Angebot.
(1) Die Schulaufsichtsbehörde stellt auf der Grundlage der Ergebnisse einer
sonder-pädagogischen Diagnostik fest, ob ein Anspruch auf ein sonderpädagogisches
Bildungsangebot besteht, und legt … den
Förderschwerpunkt fest.
Das
Verfahren zur Prüfung und Feststellung des Anspruchs auf ein sonderpädagogisches
Bildungsangebot wird in der Regel auf Antrag der Erziehungsberechtigten
eingeleitet. Bei Vorliegen konkreter Hinweise darauf, dass dem individuellen
Anspruch der Schülerin oder des Schülers ohne ein sonderpädagogisches
Bildungsangebot nicht entsprochen werden kann, kann die Prüfung des Anspruchs
auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot auch von der Schulaufsichtsbehörde
veranlasst werden. Die allgemeine Schule wirkt daran jeweils mit.
FAZIT: Alle Kinder mit
Behinderung, unabhängig davon, ob ein sonderpädagogischer Förderbedarf vorliegt
oder nicht, haben grundsätzlich Anspruch
auf Nachteilsaus- gleiche, zusätzliche Hilfsmittel und spezielle Kommunikationsmittel
sowie Integra-tionshilfen im Unterricht.
Was müssen Eltern tun, um die erwähnten Nachteilsausgleiche in Anspruch zu nehmen?
Die Eltern stellen am besten einen schriftlichen Antrag bei der jeweiligen
Schulleitung, z.B Antrag auf Einzelbeschulung.
Die fachlichen Anforderungen werden nicht geringer bemessen als bei den
übrigen Schülerinnen und Schülern. Der Nachteilsausgleich dient der speziellen
Kompensation der durch die Behinderung entstehenden Nachteile und stellt keine
Bevorzugung der behin-derten Schülerinnen und Schüler gegenüber den
Mitschülerinnen und Mitschülern dar.
Zur Begründung des Nachteilsausgleiches fügen die Eltern fachärztliche Atteste
oder Bescheinigungen von Kliniken und Gesundheitsämtern bei.
Die Schulleitung vereinbart daraufhin in Absprache mit dem Klassenlehrer/in
und Fach- lehrern konkrete Maßnahmen, die das individuelle Leistungsvermögen und
die Fähigkeiten berücksichtigen.
Beispiele des Nachteilsausgleichs bei Behinderungen (Auswahl):
•Bereitstellen oder Zulassen spezieller Arbeits- oder Hilfsmittel wie
Mitschriften, Hausaufgaben etc. am Computer, Laptop
•Spezifisch gestaltete Arbeitsmaterialien und Aufgabenstellungen, Verzicht
auf Referate vor den Mitschülern
•Zugabe von Arbeitszeit bei Klassenarbeiten, Leistungstests
•Einzel- statt Gruppen-Leistungsarbeiten
•Ersetzen einer mündlichen durch eine schriftliche Arbeitsform oder
umgekehrt (z. B. bei starken motorischen Auffälligkeiten bzw. Zwängen beim Schreiben
•Flexible Pausen (Zeitpunkt, Dauer) zur Unterstützung der
Konzentrationsfähigkeit
•Größere Exaktheitstoleranz (z.B. Schriftbild, zeichnerische Aufgaben)
•Einzelfallhilfe (Begleitung durch eine fachlich qualifizierte Person)
Einzelbeschulung:
Im Rahmen des
Nachteilsausgleichs besteht in besonders schwierigen Fällen die Möglichkeit der
Einzelbeschulung.
Nach der Rechtsprechung muss die Voraussetzung erfüllt sein, dass eine
reguläre Be- schulung im Klassenverband für mehr als 6 Wochen nicht möglich ist
(z.B. aufgrund der Einschätzung des Klassenlehrers, Beschluss einer
Klassenkonferenz oder Diagnose eines Arztes). Den Antrag stellen die Eltern
schriftlich bei der Schulleitung.
Wenn die bisherige Schule nicht in der Lage ist, Einzelbeschulung mit dem
zugehörigen Lehrpersonal zu leisten, muss die nächste übergeordnete
Schulbehörde eine Lösung herbeiführen.
Den Anspruch auf Einzelbeschulung sehen die Verwaltungsgerichte so: Für die
Sicherung schulischer Bildung durch Maßnahmen der Jugendhilfe - insbesondere im
Rahmen der Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII - bleibt nach diesen
Vorgaben nur Raum, soweit unter Berücksichtigung der individuellen
krankheitsbedingten Einschränkungen des Kindes/Jugendlichen Leistungsangebote
der öffentlichen Schule nicht vorhanden sind oder nicht ausreichen, um eine den
Anlagen und Fähigkeiten entsprechende Beschulung des Kindes oder Jugendlichen
zu ermöglichen. ( VG Aachen, 21. September 2006, Az: 2 L 316/06)
Linktipp: Verzeichnis der Einrichtungen der Erziehungshilfe in Baden-Württemberg
des Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS)
http://www.kvjs.de/fileadmin/dateien/jugend/hilfen_zur_erziehung/Heimverzeichnis_BW_2012_18112013.pdf
2. Rechte der Eltern
auf Unterstützung bei der Versorgung betroffener Kinder
Die Rechtsnorm im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Art. 6 GG:
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen
Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern
und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die
staatliche Gemeinschaft.
Tipp: Das "Persönliches Budget" für behinderte Menschen können auch Eltern für
ihre behinderten Kinder in Anspruch nehmen.
Was ist das „Persönliche Budget“?
Ein Rechtsanspruch auf ein persönliches Budget ( § 17 SGB IX) besteht seit
dem 01.01.2008. Die Vorschrift ist wenig bekannt und wird daher bisher kaum
genutzt.
Linktipp: http://rechtsanwalt-eschle.de/persoenliches-budget.html
Das persönliche Budget ermöglicht Menschen mit Behinderungen bzw.
chronischen Erkrankungen anstelle einer Sach- oder Dienstleistung eine
Geldzuwendung. Der Gesetzestext lautet wie folgt:
"§ 17 SGB IX (2): Auf Antrag
können Leistungen zur Teilhabe auch durch ein „Persönliches Budget“ ausgeführt
werden, um den Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst
selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Bei der Ausführung des Persönlichen
Budgets sind nach Maßgabe des individuell festgestellten Bedarfs die
Rehabilitationsträger, die Pflegekassen und die Integrationsämter beteiligt."
Das Persönliche Budget wird von den beteiligten
Leistungsträgern trägerübergreifend als sogenannte Komplexleistung erbracht.
Der Anspruch kann sich u.a. gegen die Rehaträger Arbeitsagentur, gesetzliche
Kranken- und Pflegeversicherung, die Renten-versicherung, Sozialhilfeträger und
Integrationsämter richten. Mit dem Rehaträger wird dann eine Zielvereinbarung
getroffen.
Tipp an die Eltern: Wenden Sie sich an den Grundsicherungsträger (Kreis,
Kommune)
Budgetfähig sind auch erforderliche Leistungen der Krankenkassen und der
Pflegekassen, Leistungen der Träger der Unfallversicherung bei
Pflegebedürftigkeit sowie Hilfe zur Pflege der Sozialhilfe, die sich auf
alltägliche und regelmäßig wiederkehrende Bedarfe beziehen und als
Geldleistungen oder durch Gutscheine erbracht werden können.
Persönliche Budgets werden in der Regel als Geldleistung ausgeführt, bei
laufenden Leistungen monatlich.
In einer Broschüre des Bundarbeitsministeriums heist es hierzu: „Das
Wunsch- und Wahl- recht steht dabei im Vordergrund. Mit diesem neuen Instrument
können behinderte Menschen Geld oder Gutscheine erhalten. Damit kaufen sie sich
selbst die Leistungen ein, wie zum Beispiel Assistenz. Niemand ist
verpflichtet, es zu nutzen. Aber es bringt Vorteile: Mehr Selbstbestimmung,
mehr Selbständigkeit, mehr Selbstbewusstsein! Niemand wird wegen Art und
Schwere seiner Behinderung oder wegen des Umfangs der von ihm benötigten
Leistungen ausgegrenzt. Das Persönliche Budget steht allen Behinderten
offen."
In der Rechtspraxis kann man die Vorschrift so nutzen, dass zum Beispiel
anstelle einer gewährten Sachleistung die Behinderte selbst bestimmen, was sie
möchten.
Relevant hier ist insbesondere die Eingliederungshilfe
im Bereich Schule, Ausbildung und Arbeitsplatz
Die Rechtsnorm lautet § 54 SGB XII i.V.m. §§ 12, 13 EinglHVO Eingliederungshilfeverordnung.
Zur Eingliederungshilfe zählen Hilfen zu einer Schulbildung, zu einer
schulischen und beruflichen Ausbildung und zur Erlangung eines Platzes im
Arbeitsleben, worunter auch die Beschäftigung in einer Werkstatt für Behinderte
fallen kann. Darunter sind z.B. die heil- oder sozialpädagogische Betreuung in
einer Tagesstätte oder in einem Heim ein- schließlich der notwendigen Fahrtkosten
dorthin zu verstehen.
Voraussetzung:
Der Behinderte darf die Einkommensgrenze nach §§ 85 ff. SGB XII nicht überschreiten.
Für schwerbehinderte Kinder in Gemeinschaftseinrichtungen, welche von der Besiedlung
mit multiresistenten Erregern betroffen sind, ist insbesondere die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft wichtig.Hierzu zählen beispielsweise als Untergruppen:
heilpädagogische Leistungen für Kinder, weitere Bsp.:
·
Hilfen zur Förderung der Verständigung mit der Umwelt (Kommunikationshilfen),
·
Hilfen bei der Beschaffung, dem Umbau, der Ausstattung und der Erhaltung
einer
Wohnung, die den Bedürfnissen behinderter Menschen entspricht,
·
Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten,
·
Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben.
·
Hilfen zur Minderung der vorliegenden Behinderung
durch Gesundheits-
förderung und
weitere geeignete Hilfe unter Berücksichtigung der MRE-
Keimträgereigenschaft
·
Erschließung und Teilnahme an Bildungsangeboten
Eingliederungshilfe
(monatliche Größenordnung, Fallbeispiel € 675,--)
Quelle: unveröffentlichter Vergleich SG Stuttgart, Az: S 20 SO 4672/13
·
Auch Fahrtkostenerstattungen, hier: Fahrt zur WfB Werkstätte
Quelle
:unveröffentlichter Vergleich, LSG Stuttgart, Az: L 2 SO 2431/14
Der Bedarf ergibt sich jeweils aus einem erstellten Gutachten, z.B. ein kinder-psychiatriches
Gutachten, ein kinderpädagogisches Fachgutachten und/oder eine fachliche Stellungnahme des Medizinisch-Pädagogischen Dienstes (MPD) des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales (KVJS) in Stuttgart.
Tipp: Psychosoziale Betreuung durch
Angehörige oder Fachkräfte.
Beispiel: Eine
Fachkraft erhält einen Stundensatz von € 33,-- und kümmert sich um Freizeitwünsche des mehrfach schwerbehinderten Kindes
mit MRE-Keimträger- schaft zu erfüllen.
Allein der monatliche Betrag hierfür kann z.B. in Stuttgart bei Mehrfachbehinderten bis € 600,-- erreichen. Für Angehörige ist der Stundensatz deutlich niederiger.
Zur Höhe des Budgets: Das persönliche Budget soll nicht höher sein als vergleichbare
Sozialleistungen. Aber der Leistungsträger muss dem gesetzlichen Anspruch aus § 1 SGB IX gerecht werden. Dem Anspruch auf Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft
Wie hoch darf das persönliche Budget sein?
Beispiel: Ambulante Versorgung in
der eigenen Wohnung durch das Persönliche Budget sollte nicht teurer sein,
als eine stationäre Unterbringung. Da aber eine stationäre Ver- sorgung in einem Heim
sehr teuer ist, kann die Alternative in der eigenen Wohnung durchaus einige
hundert Euro kosten, wobei mehrere Maßnahmen (z.B. psychosoziale
Betreuung) kombiniert werden können,
solange diese Maßnahmen insgesamt
billiger als die Heimalternative sind.
Das Aushandeln von persönlichen Budgets ist absolute Verhandlungssache.
Viele Berechtigte wissen nicht, was Ihnen rechtlich zusteht. Die staatlichen Sozialversicherungs-träger
informieren in der Regel nicht von selbst die Betroffenen, obwohl sie dies gemäß §§ 14,15 SGB I müssten. Diese Paragrafen sind die
Rechtsgrundlage für die Beratung und Auskunft durch Sozialversicherungsträger.Anwaltliche Hilfe ist beim "Persönlichen Budget" daher bereits bei der Antragstellung sinnvoll.
Tipp: Beratung durch den KVJS (Kommunalverband für Jugend und Soziales)
www.kvjs.de
Der Bereich Hilfen zur Erziehung betrifft Eltern, die Hilfe und
Unterstützung bei der Erziehung ihres Kindes benötigen. Sie können diese Hilfe
in ambulanter, teilstationärer oder stationärer Form erhalten. Dieses Maßnahmespektrum
des KVJS ist noch erweitert um Hilfen für Kinder, die seelisch behindert oder
beeinträchtigt sind.
Weiter ist Eltern zu empfehlen, dass sie darauf achten, dass die Schwerbehinderung des Kindes durch einen möglichst hohen Grad der Behinderung (GdB) festgestellt wird und auch ggf. Zusatzmerkmale wie "B" Begleitung, "H" wie Hilflosigkeit, oder "G" für Gehbehinderung oder "aG" für aussergewöhnliche Gehbehinderung umfasst. Der Schwerbehindertenausweis stellt einen "Türöffner" für viele staatliche Leistungen dar.
Linktipp: http://www.rechtsanwalt-eschle.de/schwerbehinderung-stuttgart-rechtsanwalt.html
3. Erörterung von
Einschränkungen bei Keimträgerschaft und Risiko der
Infektionsverbreitung, Verfügung von
Barriere-Maßnahmen incl. Aussetzen der
Schulpflicht, Rechtsmittel
Durch striktes Einhalten definierter Bedingungen kann die Weiterverbreitung
solcher Bakterienstämme in öffentlichen Einrichtungen (Schulen, Krankenhäusern
und Heimen etc.) zumindest deutlich
verlangsamt werden.
Norm: Art 2 GG
(1) Jeder hat das Recht auf die
freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer
verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das
Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben
und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.
In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Norm: § 229 Strafgesetzbuch, Fahrlässige Körperverletzung
Wer durch
Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Norm: § 13 StGB (sinngemäße Kürzung)
Es gibt auch ein Begehen
durch Unterlassen
Fazit: Ansteckungen sind zu vermeiden. Darauf müssen alle Träger
staatlicher Gewalt (Schulen, Heime, Gesundheitsämter)
zwingend achten.
Diese Normen, verbunden mit dem Hausrecht des Schulleiters/Heimleiters/Einrichtungs-leiters , dem Satzungsrech des Einrichtungsträgers (Heimordnung und Ähnliches) und den allgemeinen polizeirechtlichen Normen (Gefahrenabwehr) ergibt:
Besuchsverbot und
Wiederzulassung von Kindern
Ein Kind darf wegen Ansteckungsgefahr von der Einrichtung ausgeschlossen
werden.
Ein Kind, das wegen einer ansteckenden Erkrankung vom Besuch der Einrichtung
ausgeschlossen werden musste, darf diese wieder besuchen, wenn von ihm keine
Ansteckungsgefahr mehr ausgeht.
Die Einrichtung (Heim, Schule etc.) muss daher die öffentliche Belange der Gesund-erhaltung nicht betroffener Menschen mit den Belangen des MRE betroffenen
Kindes abwägen.
Der Ausschluss von der
Schule/der Einrichtung/des Heimes ist ein Verwaltungsakt .
Die Anordnung von Unterrichtsausschluss und der Schulausschluss sind bei
öffentlichen Trägern Verwaltungsakte,
d.h. vor allem, dass diese in einem förmlichen Verfahren nach Anhörung der
Beteiligten ergehen müssen.
Rechtsmittel:
Widerspruch des
Schülers, vertreten durch die Erziehungsberechtigten Frist: einzulegen
innerhalb von einem Monat nach Zugang des Bescheids.
Klage:
Nach einem negativen Widerspruchsbescheid kann innerhalb von einem Monat
vor dem zuständigen Verwaltungsgericht geklagt werden
Berufungsklage: Bei verlorener Klage
ist, soweit Berufung zugelassen ist, Berufungsklage innerhalb von einem Monat
nach Zugang des Urteils vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
möglich.
Zudem besteht die Möglichkeit einer einstweiligen Anordnung durch das
Verwaltungs-gericht.
Empfehlung: Eltern sollten sich im Widerspruchsverfahren und erst Recht bei
einem gerichtlichen Verfahren anwaltlich vertreten lassen. Eine Rechtschutzversicherung zahlt ab dem Gerichtsverfahren, bei einem "Optimal"-Rechtschutz bereits im Wider-spruchsverfahren.
Private Träger können MRE betroffene Kinder eher ausschließen, es sei denn, sie unter-liegen dem Kontrahierungszwang (Dem Kontrahierungszwang
unterliegen
Monopolunter- nehmen)
4. Rechte von mutmaßlich gefährdeten Kontaktpersonen in
Gemeinschafts-einrichtungen (andere Kinder, betreuendes Personal)
Aus den erwähnten Normen (Freiheitsrechte nach Art. 2 GG, Verbot der
Körperverletzung, dem Recht auf Unversehrtheit) ergibt sich das Recht und die Pflicht, dass gesunde Menschen von Ansteckungen möglichst bewahrt werden.
5. Inwieweit können
eingebundenen Dienstleistern zur Kooperation (z. B. beim Behindertentransport)
im Hinblick auf den MRE bedingten Gesundheitsschutz verpflichtet werden.
Die Kooperationspflicht sollte idealerweise vertraglich zwischen den
jeweiligen
Vertrags- partnern geregelt werden. Der MRE-Aspekt, wie auch weitere Hygieneaspekte sollten geregelt sein, damit es möglichst keinen Ärger gibt.
Wenn es keine vertragliche Regelung in Punkto Kooperationspflicht gibt?
- Nachverhandeln! und sich auf die vertraglichen Nebenpflichten nach Treu und Glauben berufen. (Norm: § 242 BGB Leistung nach Treu und Glauben „Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und
Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.“)
6. Probleme der Eltern
behinderter Kinder mit der Kostenübernahme bei einzelnen Maßnahmen
Die Eingliederungshilfe ist eine Sozialleistung nach dem SGB XII. Sie soll
behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen helfen, die Folgen der
Behinderung zu mildern und sich in die Gesellschaft einzugliedern, § 53 SGB
XII:
Der Antrag sollte bei der Grundsicherungsbehörde gestellt werden.
Rechtstipp: Gemeinsame Reha-Servicestellen, §§ 22 ff. SGB IX:
Die gemeinsamen Servicestellen sind zwar organisatorisch immer bei einem bestimmten
Rehabilitationsträger (z. B. bei der gesetzlichen Krankenkasse oder der Agentur
für Arbeit) angesiedelt. Jedoch stehen jeder Servicestelle die Mitarbeiter
anderer Rehabilitationsträger für Rückfragen zur Verfügung. Grundsätzlich soll
kein Ratsuchender an eine andere Stelle verwiesen werden. Ratsuchende werden
über die Zielsetzung, Zweckmäßigkeit und Erfolgs-aussicht möglicher Leistungen
zur Teilhabe beraten. Es wird der individuelle Hilfebedarf ermittelt und
geklärt, welcher Rehabilitationsträger für die Leistungen zuständig ist. Werden
Leistungen verschiedener Rehabilitationsträger beansprucht, koordiniert die
Servicestelle die Zusammenarbeit dieser Träger. Außerdem helfen die
Mitarbeiter der gemeinsamen Servicestelle bei der Antragstellung und
Weiterleitung von Anträgen an den zuständigen Rehabilitationsträger und stehen
dem Antragsteller bis zur Leistungserbringung unter-stützend zur Seite.
Hilfe zur schulischen
Ausbildung, als Form der Eingliederungshilfe:
Kommt aufgrund von Art und Schwere der Behinderung eine betriebliche
Ausbildung nicht in Betracht, kann der Besuch einer schulischen
Ausbildungsstätte für einen angemessenen Beruf gefördert werden. Die Förderung
wird nur dann geleistet, wenn zu erwarten ist, dass das Ziel der Ausbildung
erreichbar, der Ausbildungsweg erforderlich ist und der Beruf voraussichtlich
eine ausreichende Lebensgrundlage bieten wird oder, falls dies aufgrund der
Behinderung nicht möglich ist, in angemessenem Umfang zur Lebens-grundlage
beitragen wird. Als Ausbildungsstätten kommen Berufsfachschulen und ähnliche
Einrichtungen, aber auch etwa ein Studium an einer Universität in Betracht.
Ebenso werden Praktika, die für eine schulische Ausbildung erforderlich sind,
und Maßnahmen, die auf eine schulische Ausbildung vorbereiten, im Rahmen der
Eingliederungshilfe gefördert.
Bei allen Formen der Eingliederungshilfe gilt:
Tipp: Rechtsmittel
sind dazu da, sie ggf. nach rechtlicher Beratung in Anspruch zu
nehmen
Gegen einen negativen Bescheid ist innerhalb von einem Monat Widerspruch möglich. Gegen einen negativen Widerspruchsbescheid ist Klage vor dem
Sozialgericht möglich. Anwaltshilfe ab Widerspruch sinnvoll.
Rechtsschutzversicherungen übernehmen Kosten ab der Sozialgerichtsklage (je nach Vertrag, auch schon im Widerspruchsverfahren).
Linktipp: http://www.rechtsanwalt-eschle.de/sozialgericht-stuttgart-rechtsanwalt.html
Muss bei Leistungen
der Eingliederungshilfe ein Eigenanteil der Kosten getragen werden?
Einige Leistungen der Eingliederungshilfe sind kostenfrei, z.B. Leistungen
in einer Werkstatt für behinderte Menschen.
Bei anderen Leistungen der Eingliederungshilfe fällt eine Kostenbeteiligung
je nach Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Menschen mit Behinderung
bzw. der Eltern an. Dazu gehören unter anderem die Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen
und kulturellen Leben.
Eltern von erwachsenen Kindern mit Behinderung zahlen auch bei
kostenpflichtigen Leistungen der Eingliederungshilfe nur einen pauschalen
Betrag.
Linktipp:
http://www.intakt.info/informationen-und-recht/leistungen-zur-teilhabe/eingliederungshilfe/
Danke für ihre Aufmerksamkeit.
Referent:
Thomas Eschle
Anwaltskanzlei Eschle, Schultz und Stark
Kanzlei mit Schwerpunkt Arbeits-, Gesundheits- und Sozialversicherungsrecht
Rennstr. 2
70499 Stuttgart
E-Mail: KanzleiEschle@t-online.de
T: 0711-2482446 (Kanzleisekretariat)
http://mre-keimtraegerschaft-rechtsanwalt.blogspot.de/
Dieser Vortrag ist vollständig im Internet als Text abrufbar.
MRE-Keime in Behinderteneinrichtungen. Welche Rechte haben die Eltern der betroffenen Kinder? Ein YouTube -Video von RA Thomas Eschle
http://www.youtube.com/watch?v=COxKXK3bGDw
C. Copyright: RA Thomas Eschle, Stuttgart, ab November 2015
in Kooperation mit RA Robert Schultz, Stuttgart